Kurzüberblick
- EMV–Prüfungen stellen sicher, dass Geräte in ihrer Umgebung korrekt funktionieren, ohne andere Systeme unzulässig zu stören.
- Geprüft werden Emissionen (was ein Gerät abstrahlt) und Störfestigkeit/Immunität (wie robust es gegenüber äußeren Störungen ist).
- Zentrale Referenzen: EU-EMV-Richtlinie 2014/30/EU, IEC 61000-Reihe, EN 55032/EN 55035 (CISPR 32/35); Medizin: IEC 60601-1-2 (aktuelle Fassung).
- Pre-Compliance-Tests im Entwicklungsprozess reduzieren erfahrungsgemäß Risiko, Kosten und Time-to-Market.
Was bedeutet EMV-Prüfung?
Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) beschreibt die Fähigkeit eines Geräts, in der vorgesehenen elektromagnetischen Umgebung störungsfrei zu arbeiten und dabei keine unzulässigen Störungen zu verursachen. EMV-Prüfprogramme kombinieren Emissions- und Immunitäts-/Störfestigkeitsprüfungen, um dieses Verhalten nachzuweisen.

Arten von EMV-Prüfungen
EMV-Konformitätsprüfungen umfassen zwei Hauptkategorien, die unterschiedliche Aspekte der elektromagnetischen Verträglichkeit bewerten. Das Verständnis sowohl der Emissionen als auch der Störfestigkeit ist entscheidend für umfassende EMV-Prüfprogramme.
Emissionen
- Leitungsgebundene Emissionen: Messung der Störaussendungen über Netz- und Signalleitungen, typ. 150 kHz–30 MHz, mit EMV-Empfängern und Leitungsimpedanzstabilisierungsnetzwerken (LISN).
- Abgestrahlte Emissionen: Messung der Funkstörungen im Raum (Freifeld/Absorberkammer), je nach Produktklasse bis 6 GHz oder höher. Typische Mittel: Spektrumanalysator, kalibrierte Antennen, definierte Messabstände und Ausrichtungen.
Störfestigkeit/Immunität
- Abgestrahlte Störfestigkeit (IEC 61000-4-3): Typ. 80 MHz–6 GHz bei 3–10 V/m (branchenabhängig auch darüber); das Gerät muss dabei funktionsfähig bleiben.
- Leitungsgebundene Störfestigkeit (IEC 61000-4-6): Einkopplung definierter HF-Störpegel in Leitungen.
- ESD (IEC 61000-4-2): Typ. bis 8 kV Kontakt / 15 kV Luft.
- Schnelle Transienten/Burst (IEC 61000-4-4) und Surge/Stoß (IEC 61000-4-5): Prüfung gegen Schalthandlungen/Überspannungen (Surge auf Versorgungsleitungen typ. bis 4 kV, abhängig von der Anwendungsumgebung).
- Netzqualität (IEC 61000-4-11/-34): Spannungseinbrüche, Kurzunterbrechungen, Spannungsschwankungen.
Hinweis: Automotive (z. B. ISO 11452) und Militär (MIL-STD-461) verlangen teils deutlich höhere Pegel—diese gelten nicht pauschal für Industrie/Consumer.
Normen & Vorschriften (Auswahl)
- EU: EMV-Richtlinie 2014/30/EU (CE-Kennzeichnung), harmonisierte EN-Normen (u. a. EN 55032/EN 55035, EN/IEC 61000-x-x).
- USA: FCC Part 15 (unbeabsichtigte Aussendungen, Prüfverfahren).
- Medizin: IEC 60601-1-2 (aktuelle Fassung).
- Weitere Regionen: Nationale Funk-/Telekommunikationsvorgaben (z. B. China: SRRC/CMIIT) zusätzlich beachten.
- Gegenseitige Anerkennungsabkommen (MRA) können Zertifizierungsschritte vereinfachen.

Pre-Compliance: Warum sich frühe Tests lohnen
- Frühzeitige Fehlererkennung: Kopplungspfade identifizieren, Layout/Schirmung/Filter anpassen, solange Änderungen kostengünstig sind.
- Höhere Erst-Bestehenswahrscheinlichkeit bei formalen Prüfungen.
- Kosten- & Zeitvorteile: Weniger Iterationen im akkreditierten Labor.
- Praxis-Tools: Nahfeldsonden, portable EMV-Empfänger/Spektrumanalysatoren, einfache GTEM-/TEM-Setups für Screening.
Prüfumgebung & Messtechnik
- Absorberkammern / geschirmte Räume: Reproduzierbare Bedingungen für abgestrahlte Messungen; Größen/Abstände gemäß Produktklasse (z. B. 3 m/10 m).
- EMV-Empfänger & Spektrumanalysator: Quasi-Spitzenwert-, Mittelwert- und Spitzenwert-Detektoren gemäß CISPR/EN.
- Signalgenerator + Leistungsverstärker + Antennen: Für definierte Störfelder (Immunität).
- Oszilloskope: Zeitbereichsanalyse, Trigger auf seltene Ereignisse.
- Nahfeldsonden: Lokalisieren Emissions-Hotspots auf Baugruppen.
Branchenfokus
- Consumer/IoT: Enge Gerätedichte → strenge Emissionsgrenzen & robuste Funk-Koexistenz.
- Automotive: Hochvolt-Antriebe, ADAS-Sensorik → spezielle Automotive-Normen, erhöhte Pegel.
- Medizin: Kritische Funktionen → IEC 60601-1-2 mit erhöhten Anforderungen und dokumentierter Risiko-/Usability-Betrachtung.

Kosten & Dauer (realistische Bandbreiten)
- Dauer: Von wenigen Tagen (einfache Produkte) bis mehrere Wochen (komplexe Systeme inkl. Nachtests), abhängig von Normumfang, Konfigurationen und Laborverfügbarkeit.
- Kosten: Ab unter 1.000 € (kleine Teilprüfungen/Pre-Compliance) bis niedriger fünfstelliger Bereich für vollständige, komplexe Zertifizierungen. Exakte Werte hängen stark von Produkt, Normenpaket und Iterationsbedarf ab.

Auswahl eines EMV-Prüflabors: Entscheidungsfaktoren
- Akkreditierung (z. B. ISO/IEC 17025) & Abdeckung der relevanten Normen/Frequenzbereiche.
- Infrastruktur (Kammergrößen, erreichbare Feldstärken, Zubehör), Erfahrung des Ingenieurteams.
- Kommunikation & Durchlaufzeiten: Klare Testpläne, zeitnahe Reports, ggf. beschleunigte Slots.
- Pre-Compliance-Angebote und Design-Support als Mehrwert.
Fazit
Die Prüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit ist ein zentraler Bestandteil der Produktentwicklung und Markteinführung. Sie stellt sicher, dass elektronische Geräte zuverlässig arbeiten und internationale Anforderungen erfüllen. Wer bereits im Entwicklungsprozess auf Pre-Compliance setzt, reduziert Risiken, spart Kosten und verkürzt die Time-to-Market. Mit der richtigen Laborwahl und klarer Prüfstrategie lassen sich technische Hürden frühzeitig meistern und eine reibungslose Zertifizierung erreichen.
Häufig gestellte Fragen
Unterschied EMV vs. EMI?
EMV umfasst Emission und Immunität (Systemverhalten in der Zielumgebung). EMI beschreibt unerwünschte Emissionen.
Wie lange dauern EMV-Tests?
Je nach Produkt/Normenpaket Tage bis Wochen. Faktoren: Komplexität, Anzahl der Konfigurationen, Laborplanung, nötige Nachbesserungen/Nachprüfungen. Frühe Pre-Compliance verkürzt in der Praxis die Gesamtzeit.
Nach „Nichtbestehen“ – darf ich ändern?
Ja. Üblich sind Anpassungen an Layout, Schirmung, Filtern, Bauteilen. Der Nachtest-Umfang richtet sich nach der Änderungstiefe (Teil- vs. Vollprüfung).
Welche Normen gelten bei internationalem Vertrieb?
EU: 2014/30/EU + harmonisierte EN-Normen; USA: FCC Part 15; Medizin: IEC 60601-1-2; weitere Länder mit eigenen Funk-/Telekom-Regeln. MRAs können Mehrfachprüfungen reduzieren.